Ich bin auf der HighEnd in München dieses Jahr von verschiedenen Seiten gefragt worden, was – vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen – meine Meinung über MQA ist. Ich hatte meine Einschätzung zu MQA bereits vor 2 Jahren publiziert, stelle sie aber hier, aus aktuellem Anlass, nochmals dar:
MQA steht für “Master Quality Authenticated” und ist ein 2014 vorgestellter Kodierungsprozess für Musikdateien der Firma MQA Ltd. MQA Ltd. verspricht für seinen Prozess 3 Dinge:
- Höhere Wiedergabequalität bei geringerer Datenrate als bisher üblich. Hier verspricht MQA HighRes-Qualität bei CD-Standard-Datenraten. Insbesondere hatte MQA, zumindest anfänglich, seinen Codec als „lossless“, also verlustfrei, bezeichnet.
- Verbesserung der Klangqualität durch „De-Blurring“ , d.h. Korrektur von Fehlern der im Aufnahmeprozess eingesetzten Analog/Digital-Wandler, insbesondere des sog. Pre-Ringings (White Glove Treatment)
- Authentifizierung der Musikdateien und Sicherstellung, dass der Konsument nur die von den Künstlern und Toningenieur selber authentifizierte Musik erhält
The HiFi-Presse war zunächst enthusiastisch. So schreib z.B. Robert Harley, der Chefradakteur des „The Absolute Sound“, MQA sei „die bedeutendste technologische Entwicklung des Audiobereiches in seinem Leben“. Später stellte sich heraus, dass die diversen Marketing-Behauptungen von MQA wohl eher nicht haltbar sind. Hierzu im Einzelnen:
- Versprechen hoher Qualität bei geringen Datenraten
Es gibt grundsätzlich 3 Arten von Codierungen für Digitaldateien:
- Unkomprimierte und verlustfreie Codierung (z.B. WAV)
- Komprimierte und verlustfreie Codierung (z.B. FLAC)
- Komprimierte und verlustbehaftete Codierung (z.B. MP3)
MQA ist eine hierarchisch komprimierte und verlustbehaftete Codierung (Typ c.) samt einer Art „Kopierschutz“. MQA kodiert Musikdateien durch Einsatz von Adaptive Differential Pulse Code Modulation (ADPCM) und Bitratenreduktion.
Ein MQA-codierter Datenstrom wird hierarchisch dekodiert: in MQA-lizensierten Geräten, je nach Art der Lizenz in teilweiser Auflösung („1. Unfold“ mit Software-Encoder) oder vollständiger Auflösung („2. & 3. Unfold“ mit Hardware-Encoder). In Nicht-MQA-lizensierten Geräten wird der Datenstrom nur bis zu effektiv 13Bit dekodiert – selbst bei 1. Unfold nur bis zu effektiv 17bit. Die restlichen Bits werden für die diversen „Faltungen“ benötigt (Patentbeschreibung hier). Die Beschreibung der Funktionsweise des Codecs ist nicht sonderlich erhellend (es gibt eine „Touchup“-Funktion, wie immer die auch funktioniert) und die Erfinder scheinen sich Mühe gegeben zu haben, klare Aussagen zu vermeiden. Jedenfalls, kommt es durch MQA zu Datenverlusten und Dynamikreduktion. Zudem gibt es mehrere Analysen von HiFi-Bloggern, die nahelegen, dass die MQA-Codierung/Decodierung Verzerrungen im Datenstrom verursacht (Archimago, XiVero, Golden Sound).
In der High Fidelity bevorzug man normalerweise verlustfreie Kodierungen. Allerdings haben verlustbehaftete Codierungen auch ihre Berechtigung: primär in allen Anwendungen, wo es Beschränkungen bei der Daten-Übertragungsbandbreite gibt, z.B. beim mobilen Musikgenuss im Auto oder am Handy. In der heimischen HiFi-Anlage gibt es normalerweise keine Übertragungsbandbreitenbeschränkungen, so dass es nicht sinnvoll erscheint, dort verlustbehaftete, komprimierte Codierungen zu verwenden.
Wie sich inzwischen herausstellte, ist die Behauptung von höherer Auflösung bei geringeren Datenraten nicht haltbar:
- Analysen von Archimago und Golden Sound legen nahe, dass im CD-Standard die Dateigröße von MQA-Dateien sogar etwas über der der vergleichbaren PCM/FLAC-Version liegt, trotz reduzierter Bittiefe; bei HighRes-Dateien entspricht die Datenrate in etwa der PCM/FLAC-Version mit der reduzierten Bittiefe
- die Behauptung von „Lossless“ ist unhaltbar und steht sogar im Widerspruch zu MQAs eigener AES Präsentation vom Okt. 2014.
- Versprechen verbesserter Klangqualität
Wie das „De-Blurring“ der Musik durch Ex-Post-Filterkorrektur genau funktionieren soll, ist ein Rätsel. MQA Ltd. bezieht sich nur vage auf „neurowissenschaftliche Erkenntnisse“ und die Grenze des zeitlichen Auflösungsvermögens des menschlichen Gehörs von 5µs. MQA vermeidet jegliche Erklärung der Funktionsweise. In modernen Aufnahmesitzungen kommen eine Vielzahl von niemals protokollierten A/D-Wandlern zum Einsatz. MQA kann gar nicht wissen, welche A/D-Wandler an einer bestimmten Aufnahme beteiligt waren und kann entsprechend auch keine Korrekturen von tatsächlichen oder vermeintlichen Fehlern dieser Geräte vornehmen.
- Versprechen der Authentizität der Musikdateien
Diverse Berichte von Künstlern auf TIDAL (u.a. Neil Young, Golden Sound, FredericV), legen nahe, dass ihre MQA-Dateien für die MQA-Authentication erteilt wurde, nicht den Dateien entsprechen, die sie eingereicht haben. Insbesondere hat FredericV gezeigt, dass er 30% der Daten seiner Musik-Dateien entfernen konnte und das MQA-System diese immer noch als „Authenticated“ auswies.
Warum MQA dennoch in HiFi-Zirkeln intensiv diskutiert wird, hat vielfältige Gründe, entsprechend der Marketingversprechen durch MQA Ltd. und den vielfältigen Interessenslagen der Beteiligten:
- Massiver Einsatz von Marketing und Werbung durch MQA Ltd. u.a. mit irreführenden und teilweise inzwischen zurückgenommenen Behauptungen (Losslessness, Touchup-Funktion, White Glove Treatment etc.)
- MQA ist für die Plattenindustrie ein Argument, ihre alten Musikarchive noch einmal neu zu verkaufen. Ich schmunzele manchmal über mich selber, weil ich, auf der Suche nach der bestklingenden Version eines Albums, manche Alben schon 7x gekauft habe: 1. Als Schallplatte, 2. Als Half-Speed-Master Schallplatte, 3. Als digital remasterte Schallplatte, 4. Als CD, 5. Als Remasterte CD, 6. Als SACD oder DVD-A, 7. Als HighRes-Download. Immer erklärte mir die Plattenindustrie, dass jede dieser Ausgaben besser klingen würde als frühere. Manchmal stimmte das und manchmal auch nicht. Jetzt kommt die Plattenindustrie mit MQA.
- MQA bietet für die Plattenindustrie eine Lizenzprüfung der Musikdateien und damit eine späte Möglichkeit, den lange gesuchten Kopierschutz doch noch einzuführen, um den freien Austausches von Musikdateien einzuschränken.
- MQA bietet Meridian umfassende Lizenzeinnahmen, selbst für Alben, an denen MQA keinerlei Rechte hält, zudem für neue Hardwarelizenzen.
- MQA ist für Hardwarehersteller ein Argument, Ihren Kunden neue Geräte zu verkaufen
Es schaut aus, wie ein System an dem alle verdienen – nur der Kunde zahlt drauf.
Manche MQA-Alben klingen tatsächlich besser als frühere Ausgaben desselben Albums, weil sie für MQA neu und von Highres-Mastern remastered wurden. Die Verbesserung der Klangqualität ist dann aber dem neuen und besseren Mastering geschuldet, nicht der MQA-Technik. Archimago hat 2017 einen Blindtest identisch gemasterter HighRes-MQA- und PCM-Dateien unter 83 Audiophilen und Berufsmusikern durchgeführt. In ähnlicher Weise hat die McGill Universität 2018 einen ABX Doppelblindtest durchgeführt und der AES eingereicht. Das Ergebnis war in beiden Fällen, dass die Testpersonen keinen Unterschied zwischen den HighRes-MQA- und –PCM-Dateien wahrnehmen konnten. Die meisten verfügbaren MQA-Alben sind allerdings lediglich MQA-codierte CD-Masters und klingen dann wie die alten CDs nur mit reduziertem Dynamikumfang.
Zusammenfassend:
MQA hat keinen erkennbaren Vorteil für Musikkonsumenten im Rahmen einer modernen heimischen HiFi-Anlage. MQA kann, unter bestimmten Umständen, Vorteile für Musikkonsumenten haben, die Musik unter Bedingungen beschränkter Übertragungsbandbreite hören wollen (Mobile Uses). MQA ist im Grunde eine sehr komplexe Methode, um zu zeigen, dass man durch Bitratenreduktion von 24bit auf 17bit für das menschliche Hörvermögen nicht unterscheidbare Dateien erzeugen kann. Das hätte man auch einfacher durch entsprechende Bitratenreduktion in PCM und FLAC bei vergleichbarer Dateigröße erreichen können – völlig lizenz- und kostenfrei.
Im Zusammenhang von dateibasierter Musikwiedergabe ist MQA primär für TIDAL-Abonnenten relevant, mit seinen sog. „TIDAL Masters“ (MQA-Codierte Dateien). Doch hat TIDAL kürzlich angekündigt, zukünftig keine neuen MQA-Dateien mehr zu streamen, sondern im HighRes-Bereich auf FLAC zu setzen. MQA Ltd. hat im April 2023 Insolvenz angemeldet.
© Alexej C. Ogorek
Referenzen:
- MQA website: Homepage | Experience the best sound with MQA | MQA
- MQA patent description: WIPO – Search International and National Patent Collections
- Golden Sound review: I published music on Tidal to test MQA – MQA Review – YouTube
- Archimago overview: MQA: A Review of controversies, concerns, and cautions – Reviews – Audiophile Style